Kraft
Das Leben ist Eingebundensein des Kleinen in das Große und Wirkung des Großen auf das Kleine.
Die großen kosmischen Kräfte wirken etwa in Form der Jahreszeiten prägend auf das irdische Leben.
Gerade im werdenden Frühling kann man das Einbrechen der unermesslichen schöpferischen Kraft sehr deutlich spüren.
So ist das ganze Universum durchwirkt von schöpferischen Kräften: Formen ins Sein treibend und wieder zerstörend, stetige Neuschöpfung.
„Diese Kraft von oben ist einfach die Herrschaft des höheren Prinzips über das niedere, sie ist das Primat des Unsichtbaren über das Sichtbare.“ (Prentice Mulford)
Nimmt man die Zeit hinzu, so erkennt man den Formenwandel, die allem Werden zugrunde liegende Entwicklung, die diesem Ziel und Bestimmung gibt.
Diese Kräfte sind ebenso in jedem schöpferischen Menschen tätig und wirksam.
So klein der Mensch auch körperlich ist, so groß sind seine geistigen Schöpfungen in Kunst, Philosophie, Technik.
Die Welt dient dem Menschen als Laboratorium, als „Werkzeugkasten“ zur Erprobung dieser Kräfte.
Der Durchschnittsmensch fühlt sich klein und nichtig angesichts der ihn umgebenden Größe, ahnt beim staunenden Blick auf das Firmament aber jene Kraft, die ihn umgibt und spürt, dass sie auch ihm eigen ist.
Wie übermenschlich scheinen die Werke Michelangelos oder da Vincis einerseits und wie menschlich sind sie andererseits. Sie sind von einem Menschen im Geiste ausgedacht, mit seinen Händen geformt, gestaltet.
Beim Blick auf das innere der Kuppel des Pantheon oder der Deckenmalerei der Sixtinischen Kapelle ist es fast so, als blicke man auf das Himmelsgewölbe.
Prentice Mulford sagt: „alle hingebende Bewunderung ist wahre Anbetung. Und alle wahre Anbetung ist Begehr und Verlangen nach dem Wesen dessen, das im Angebeteten bewundert wird.“
Diese Kräfte sind im Genie besonders ausgeprägt, vorhanden sind sie jedoch in jedem von uns.
Diese Kräfte in sich zu erkennen ist wahre Religion. Die göttliche, schöpferische Kraft ist in mir, ich bin Ausdruck von ihr, sie ist Teil von mir.
Religion ist nicht Zugehörigkeit zu einer Glaubensrichtung oder sonntags in die Kirche gehen.
Der Mensch ist der Tempel, in dem der Weltgeist sich offenbart und das gilt ausnahmslos für jeden Menschen.
„Das All misst nicht mit Menschenmaß/Es ist allem gleich nah/ und durchdringt alles ohne Unterschied…“ So sind nach Laotse alle Menschen dem Wesen nach gleich, in einer höheren Einheit miteinander verbunden.
Mit dieser Erkenntnis enden dann auch alle unter der Fahne einer Religion geführten Kriege, die ihre Wurzel ja darin haben, dass Menschen oder Völker falsch verstandene Religion instrumentalisieren zum Ausüben von Macht über andere. Man denke an die Kreuzzüge oder alle Kriege und Greuel, die im „Namen Gottes“ begangen wurden. All dies ist Folge einer begrenzten, egoistischen Sicht.
Um es mit den Worten Vivekanandas zu sagen:
„Die Mohammedaner sagen, es gibt keinen Gott als Allah. Der Vedanta sagt, es gibt nichts anderes als Gott … Der lebendige Gott ist in ihnen, und doch bauen sie Kirchen und Tempel und glauben an alle Art eingebildeten Unsinn. Der einzige zu verehrende Gott ist die menschliche Seele im menschlichen Körper. … der Mensch ist der Taj Mahal unter den Tempeln. Wenn ich nicht in ihm verehren kann, wird kein anderer Tempel mir Nutzen bringen …“
Es gibt somit keinen persönlichen Gott, kein Paradies für „gute Menschen“ oder eine Hölle für „schlechte Menschen“. Jeder Mensch trägt beides in sich und hat immer die Wahl welchen Weg er geht.
Das Leben ist hier und jetzt, Himmel oder Hölle schaffe ich mir hier und jetzt durch mein Denken und Tun.
Das Gute und das Böse sind zwei Pole des Lebens, die sich gegenseitig bedingen. Erst die Erkenntnis des Guten schafft das Nicht-Gute, das Böse. (siehe Laotse, Tao-te-king)