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Sinnenverhaftung

"Zwiefach ist aller Wesen Art;
Teils göttlich, teils nied'rer Natur."
(Bhagavad-Gita)
Vergänglichkeit
Alles verschwindet, was nur an die Erdensinne gebannt hängt; -
Ewig ist nur, was der Gottgeist in uns in sich aufnimmt!
(Lavater)
Draußen welken die Blumen und Gräser, drinnen das Wollen und Wünschen. Welch lebensvolles Absterben! Möchten wir doch das ganze, nach außen sich abspielende Erdenleben mit allen Dingen von Form, Name und Unterschiedlichkeit nur so betrachten, wie wir im Vorübergehen in ein mit irdischem Lebenskram lockend gefülltes Schaufenster ohne Stehenbleiben hineinblicken, momentan darin auch unser formgefesseltes, namenbehaftetes Scheinbild erblickend.
Solange wir geistig krank sind, d.h. ohne höhere Daseins- und Selbst-Erkenntnis herumlaufen, kommt uns das Erdenleben noch einigermaßen einnehmbar vor - wie eine Arznei, die eben mit der Hoffnung auf Besserung geschluckt wird. Sobald wir aber gesunden, legen wir mit Widerwillen die wenn auch süßeste Arznei weg.
Ebenso: das Leben.

(J.F. Finck)

Zwei Richtungen

Es gibt zwei Gruppen oder Entwicklungsstufen von Menschen: jene die nach oben (innen) streben und jene, die nach unten (außen) streben.
Die erste Gruppe spürt oder weiß, dass alles Irdische, alles Streben nach Geld, Besitz, Sinnenbefriedigung nirgendwo hinführt, dass man in solchem Streben auf der Stelle tritt. Denn nichts von alledem verschafft dauerhafte Zufriedenheit oder Glück.
Wer besitzt, will festhalten, will mehr besitzen und wird mehr, ja alles verlieren, denn: alle sinnlichen Reize sind wie Strohfeuer, die schnell vergehen, immer wieder angezündet werden müssen und doch nie länger als einen Augenblick dauern.
Wie unsinnig und vergeudet so ein Leben schon in der kurzen menschlichen Lebensspanne ist, umso unsinniger und leidvoller wäre es, wenn ein solcher Mensch, mit den Mitteln der Wissenschaft auf mehrere hundert Jahre verlängern könnte:
Immer nur Getriebener der Sinne sein, die einen, wie ungezügelte Pferde hin und her reißen, innerlich zerreißen ...
Genau dies scheint mir ein Grundproblem der heutigen Zeit, das Wesen des Materialismus, der den Sinn nicht kennt, der Schein dem Sein vorzieht und nicht wirklich innerlich lebt. So sind die meisten Menschen wandelnde Tote.

Der Ausweg führt durch die Überwindung jener niederen Triebe. Denn Höherwandlung ist des Menschen Ziel.
Mit jeder neuen Geburt Höherschreiten, sein Bewußtsein weiten, dem trägen Sumpf der Triebe entsteigen, das Leid verringern; den Sinn, das alles Verbindende, das Wesen der Dinge erkennen.

In den Worten der Bhagavad Gita:

Zwiefach ist aller Wesen Art;
Teils göttlich, teils nied'rer Natur.
...
Die Unerwachten wissen nicht,
Was Rechttun und was Nicht-Tun ist;
Wahrheit, Klugheit und Lauterkeit
Ist diesen Sklavenseelen fremd.

Die Welt ist ohne Sinn, ohn' Herrn
Und ohn' Bestand - so wähnen sie -
willkür-entsprungen, ordnungslos,
zum Gier'n nur und Genießen da ...

In diesen Irrtum festgerannt,
Törichten Sinns, unreinen Geists,
Frönen sie jeder Schändlichkeit,
Verderbend so die ganze Welt.

Von unstillbarer Gier erfüllt,
Voll Trug, Prahlsucht und Übermut,
Führ'n ein gottloses Leben sie,
Nur Freveltaten zugewandt.

Ihr Woll'n und Trachten kennt kein Maß;
Denn "Höh'res gibt es nicht als dies
Und mit dem Tod ist alles aus"-
So denken sie, Genuss-versklavt.

Von hundert Hoffnungen verführt,
Habsuchtbesessen, giergejagt,
Häufen sie, lustvoll, schicksalsblind,
Unrecht erworb'ne Schätze auf.

"Dies hab ich heute schon erreicht,
Und der Gewinn steht mir bevor,
jetzt hab' ich soviel, morgen fällt
Mir jenes sicherlich noch zu;"

...
Von solchem Denken ganz erfüllt,
Irrtumverhaftet, dem Genuss
Versklavt, sinkt er im Tod hinab
Zu nied'rer, leidvoller Geburt.

Nur sich vergötternd und ihr Geld,
So stolz wie blind, hochmutgeschwellt,
Bringen sie heuchelnd Opfer dar,
Die in Wirklichkeit keine sind.

Voll Ichsucht, Rohheit, Stolz, Begier,
Lästersucht, Missgunst, Leidenschaft
So schmäh'n sich mich, den Gott, der doch
In Ihnen und den ander'n lebt.

Diese hassvollen, herzlosen
Zerrbilder wahren Menschentums
Stürzen im Kreislauf der Geburt
In immer tief'res Sein hinab.

Schreiten sie, niederster Geburt,
Als Toren fort von Sein zu Sein,
Dann, gänzlich von mir abgewandt,
Sinken in's Tiersein sie hinab.

Dreifach ist's Tor zur Unterwelt,
Durch das die Seele abwärts stürzt;
Habsucht und Zorn und Sinnengier.
Drum meide diese Dreiheit man!

(Bhagavad Gita, XVI. Gesang)

Von der sinnlichen Schwere

Der Körper unterliegt den Gesetzen der materiellen Welt, hat Schwere. Es zieht in hin(ab) zu dem, was noch mehr Schwere hat, zur Schwere schlechthin: der Erde, der Materie.
Es ist aber mehr als die Anziehungskraft, die Gravitation, die mir hier zu wirken scheint.
Was ich hier empfinde sind zwei widerstrebende Kräfte, zwei Pole, in deren Spannungsfeld ich lebe.
Das Etwas in mir, das alles überblickt, unbefangen sich meinen Lebensfilm ansieht und dann ist da noch derjenige, der die Lebensrolle spielt, durchlebt, durchleidet.
Jenes ist das Selbst, der göttliche Wesenskern - das Höhere in mir; dieses der Tiermensch oder Sinnenmensch – das Niedere in mir, der verfangen ist im Netz der Leidenschaften und des Leidens.
Gedanken und Gefühle wechseln ständig ihre Polarität, ihre Ausrichtung zwischen Höherem und Niederen wechselnd.
Tumb und schwer, blind, getrieben scheint der Körper mir. Wäre ich nur Körper – völlig machtlos wäre diese willenlose Hülle den sinnlichen Begierden ausgeliefert und würde zugrunde gehen.
Doch ist da noch etwas Anderes. Etwas, das mir eine andere, bessere Richtung zeigt, mich nach oben zieht, allem Sinn und Ziel gibt.
Schwerelos, weil begierdelos, die Vergänglichkeit der irdischen Triebe überschauend und überwindend.
Doch sind die Leidenschaften und das mit ihnen Hand in Hand gehende Leiden nicht sinnlos, sondern sinnvoll als Teil eines Entwicklungsweges, der mich Stufe um Stufe höher führt und löst.
So kann ich dereinst durch die Welt gehen ohne mich im Netz des Sinnlichen zu verfangen vom Schein zum Sein gelangen.

Vom menschlichen Wesen

Der Mensch ist vielfältig in seiner wesenhaften Natur, unterteilt in niedere und höhere Bestandteile.
Seine niedere Natur orientiert sich am Vergänglichen, ist sinnlich, dem Äußeren zugewandt.
So kommt es, dass Menschen sich nach Kriterien wie ihrem gesellschaftlichen Status, ihrem Geldbeutel, ihrem Beruf oder nach Schulabschlüssen beurteilen. Eben diese Kriterien sind
sinngebender Maßstab ihres Lebens.
Die meisten Menschen definieren sich, nach meiner Beobachtung auch gerade und hauptsächlich über ihren Beruf und den "beruflichen Erfolg".
Auf die Frage "Wer bist du?" oder "Was bist du?" würden somit die meisten mit ihrer Berufsbezeichnung oder beruflichen Position antworten - also "Ich bin Arzt/Ärztin, Ingenieur/in etc."
Dies gilt vor allem für die vermeintlich "Gebildeten".
Weitet man jedoch den Sehkreis und bezieht die Einbezogenheit des Menschen in die Reinkarnationszyklen und das damit zusammenwirkende Karma mit ein, so ergibt sich ein völlig anderes Bild:
Das, was man äußerlich ist oder zu sein glaubt, ist eine Rolle, die man spielt, in einem Daseinsdrama, wechselwirkend mit den Rollen der anderen Darsteller.
Der fatale Irrtum besteht nun darin, zu glauben, man "sei" diese Rolle oder man habe eine "bessere" Rolle, etwa die eines Königs, wenn wir uns an den klassischen Figuren des Dramas orientieren.
Nun ist es allerdings so, dass jener, der den Bettler spielt in keinster Weise "minderwertig" ist.
All diese Polarisierungen sind lediglich Ausdruck einer noch zu stark ausgeprägten Selbstsucht.
Tiefer blickend, erkennt man:
All der irdische Tand, der Besitz, die Rolle, die man aktuell spielt, sind vergänglich, zeitlich begrenzt und als solche nichtig.
Um im Bild zu bleiben: Der Schauspieler nutzt die Requisiten für seine Rolle und betrachtet diese nicht als seinen dauerhaften Besitz, da diese Sinn und Nutzen nur im Rahmen seiner darzustellenden Rolle haben.
Entscheidend ist die Ausprägung, der Reifegrad, die karmische Aufgabe der dahinterstehenden seelischen Entität.
Die "Größe" des Menschen zeigt sich darin, wie er die ihm zugewiesene Rolle spielt, wie er dem Leben, seinen Anforderungen und Herausforderungen begegnet, ihnen antwortet, damitumgeht.
Das Maß der Leidensfähigkeit ist Maßstab des Reifegrades einer Seele. Ebenso das Maß der Infragestellbarkeit oder das Maß des Verantwortungsbewusstseins im eigenen Lebensumfeld.

Läuft im Leben alles glatt, auf geraden, vorhersagbaren Wegen, so fehlen die Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten für die Seele!
Man wird satt und träge und von kleinsten Erschütterungen aus der Bahn geworfen, von Verlustängsten geplagt.
Es geht aber gerade nicht darum, ein bequemes Leben zu haben, gesund zu sein oder lange zu leben - wozu, wenn die Sinnerkenntnis fehlt!?
Im Grunde ist es die Angst vor dem Tod, die zu solch verzerrten Vorstellungen führt und der damit einhergehende abgrundtief dumme Satz "Man lebt nur einmal!" als Freibrief für hemmungslosen sinnlichen Genuß!
All die vermeintliche Sicherheit vorgaukelnden materiellen Güter sind nur geliehen, Teil der Rolle und als solche bedeutungslos, substanzlos.
Das einzige, was Bestand hat, der Schauspieler hinter den verschiedenen Rollen, ist die seelische Entität, die Individualität. Die einzelnen Rollen sind notwendige Stufen auf ihrem Erkenntnisweg.
Der Tod nimmt alles Vergängliche: Haus, Beruf, Geld, Auto, Lebensversicherung ...
Aber wie soll man das Leben, seinen Sinn verstehen, wenn man den Tod nicht versteht - er ist der Schlüssel!
"Leben" heißt nicht Sinnengenuß, sondern Überwindung desselben, heißt Daseinserkenntnis erlangen anstatt sich der Sinnenbelustigung hinzugeben.
Tod ist die Pause, in der man sich auf die nächste Rolle vorbereitet, sie aussucht.
Reinkarnation ist Zuweisen von neuen Rollen mit dem Ziele der Höherentwicklung des Menschen, seiner Blickwendung vom Veränglich-Nichtigen zum Ewig-Bestandhaften.
Die Antwort auf die Frage "Was oder wer bin ich?" muss also unter diesem Blickwinkel betrachtet anders ausfallen - Was ich bin ist die Seele in ihrer Ausprägung und Reife. Ein Wort, eine Berufsbezeichnung gibt es dafür nicht!
Es ist einfach das Sosein, das "So sein, wie man ist. Das der sein, der man innerlich ist."

"Das Entscheidende sind nie die Dinge, sondern immer die inneren Bedingungen, für die die Dinge und Umstände nur Werkstoff sind. Der Mensch lebt auch nicht von den Dingen, sondern diese leben von ihm. Ihr Gesicht und Gewicht wird von seiner Einstellung bestimmt.
Wer aus dem Geiste lebt, bewirkt, dass alle Dinge und Umstände ihm dienen.
"
(Fra Tiberianus)

Materialismus

Es heißt das 19. Jahrhundert sei das Zeitalter des tiefsten, des ausgeprägtesten Materialismus, in dem die materialistische Deutung aller beobachteten Phänomene in der Natur und am Menschen seinen Höhepunkt hatte. Es war die Annahme eines berechenbaren, vorhersehbaren Mechanismus, gleich eines Uhrwerkes.
Mit der Berechenbarkeit dieses Mechanismus ergibt sich dessen Determiniertheit, die Reversibilität der beobachteten Vorgänge, wie bei der Beschreibung einer Pendelbewegung, die durch die Definition der Anfangsbedingungen zu einem beliebigen Zeitpunkt bestimmbar und nachvollziehbar ist.
Menschliche Gefühle und Gedanken (als Vorgänge im Mechanismus „Gehirn“) werden demgemäß erklärt als Folge physiko-chemischer Vorgänge im Körperlichen. Das Körperliche hat den Primat ist das einzig wahrnehmbare und somit Wahre - der Ursprung aller geistigen und seelischen Phänomene.

Nun frage ich mich, was macht nun unsere Zeit aus – ist diese soviel anders. Noch immer beherrscht die materialistische Sicht das Denken der Wissenschaft, Technik und der meisten Menschen.
Tieferblickende, in größeren Kreisen Denkende sind und bleiben außerhalb, werden nicht verstanden.
Viele laufen irgendwelchen in die Irre führenden "Gurus" und Heilspredigern hinterher – doch nicht aus Erkenntnisreife, sondern zu füllender innerer Lehre und ihrem oberflächlichen Konsumdrang folgend.
Es geht doch im Wesentlichen nur um irgendeine Art der Sinnenbelustigung, Ablenkung von sich selbst, dem Jagen nach vergänglichen Vergnügungen.
So ist unsere Zeit gekennzeichnet durch „Hedonismus“, der Flucht in allerlei Vergnügungen und Ablenkungen, durch Erhöhung der Lust, Schmerzen zu vermeiden.
Was sind diese Schmerzen:
Es ist die fehlende Sinnhaftigkeit in einer Welt ohne tragendes Sinngefüge, Sinngebäude oder eines umfassenden Welterklärungsmodelles.
Gerade in der zunehmenden Umweltzerstörung, die alle Wesen auf diesem Planeten betrifft und dem Menschen bekannt ist und bewusst sein sollte, wird verdrängt, überlagert durch das Streben nach Vergnügen nach Lustgewinn, das nun gerade aber die Zerstörungstendenz befeuert und beschleunigt!
Alle wissenschaftlichen Lösungsansätze sind Nischenlösungen mit teilweise enormem Aufwand und in ihren Folgen nicht absehbar für das natürliche Gefüge – ein solch hochkomplexes und vor allem lebendes System ist in seinem Verhalten ja eben nicht vorhersagbar oder planbar, nicht reversibel!
Die eigentliche Lösung ist so einfach, dass der Mensch in seiner begrenzten, sinnengesteuerten und lustorientierten Sicht einfach nicht sieht.
Es ist die Umstellung des Denkens und des Verhaltens jedes Einzelnen, denn: der Geist beherrscht die Materie!
Selbstsucht ist immer Ausdruck einer noch unreifen, kindlichen Seele. Die reife Seele zeichnet sich aus durch ihr Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit allem, was sie umgibt. Sie beachtet die Folgen ihres Tuns für sich und andere!