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Schein und Sein

Menschenbetrachtung

"Gehe mit Achtung und Demut an der Arbeitergestalt vorüber! Kann nicht hinter der Armut und dem Ruße - ein König stehen? Kann nicht im blendenden Troß - ein bettelarmer Leichnam daherfahren? -
Der äußere Mensch ist ein Trugbild.
" (J.F. Finck)

Die Persönlichkeit ist der karmisch beladene und von den Wirkkräften des Karmas gelenkte Teil des Menschen.
Sie ist die Rolle, die ich in jeder Einzelexistenz innehabe als Akteur im Drama des Lebens.
Der Charakter ist die karmische Essenz und Prägeform der Persönlichkeiten, die man durchlebt hat.
Nur die bedingungslose Annahme des karmisch geprägten Soseins von Lebensform und zugehörigen Lebensumständen überwindet letztlich das Karma.
Der noch nicht zu sich selbst erwachte Mensch unterliegt, wo nicht ausschließlich, so doch überwiegend, den karmischen Zwängen und Notwendigkeiten, dem Schicksal als Ernte dessen, was er gesät hat und welches nur der seelisch Erwachte seinem Willen gemäß gestalten kann.
Nur an der harten Rüstung des erwachten Selbstseins zerbricht die Lanze des Karmas.

Im obigen Sinne ist jeder geprägt in seiner Konstitution, seinem Verhalten und Denken. Ein jeder hat aufbauend auf diesen Prägungen seine Sicht auf und seine Wirkung in die Welt und verwirklicht so seine Rolle im Gesamtgeschehen des Daseins.
Diese innere Prägung, zusammen mit übernommenen Vorstellungen der Zeit in der er lebt, bestimmt maßgeblich seine Sicht auf jene Menschen, mit denen er in Wechselwirkung steht, sei es nun beruflich, familiär oder durch kurze Begegnungen.
Betrachte ich einen gerade im frischen Frühlingskleid dastehenden, lebensstrotzenden Baum und vergleiche ich ihn mit seinem Auftreten im Herbst, wo er all die Pracht abwirft, sich seine Lebenskraft zurückzieht, das Wirken nach außen der Verinnerlichung weicht, so sehe ich denselben Baum in seinen jahreszeitlichen Wandlungen, das sich in ihm und durch ihn entfaltende Muster.
Auch der Mensch, der mir gegenübersteht, mir begegnet, lebt und entfaltet sein karmisches Muster, von dem ich eine Momentaufnahme sehe, den Formen- und Entwicklungsweg, der hinter ihm liegt, sehe ich nicht – genauso wenig wohin er sich entwickeln wird.
Im aktuell durchlebten Drama hat er seine Rolle und ich die meine, die Wechselwirkungen sind bestimmt von Zu- oder Abneigung, Hass, Liebe, Verständnis, Groll, Zorn, Hilfe, Unterstützung usw.
Bei einem verwahrlosten und schmutzigen Menschen empfindet man Abscheu, Abneigung hervorgerufen durch die Abweichung seiner Form oder Rolle von meinen Vorstellungen.
Doch woher weiß ich, ob nicht auch ich in einem vorhergehenden Drama ebendiese Rolle innehatte oder dies in einem folgenden Drama meine Rolle sein wird?
Woher weiß ich, ob jener schmutzige, verabscheute Mensch früher nicht ein hochgeachteter König in edlem Gewand war oder dies sein wird?
In wie vielen dieser Stücke standen wir schon gemeinsam auf der Bühne in unterschiedlichen Rollen und Wechselwirkungen?
Es ist so wie mit diesem Steckspiel für Kinder, wo in einen Würfel Formen gestanzt sind (Quadrate, Dreiecke, Kreise), in die man die passenden Gegenstücke stecken muss. Die quadratische Form passt nicht in die runde Öffnung.
Diese Öffnung ist meine Vorstellung von der Welt, die nicht passende Form, das, was mir nicht „passt“…
An einer anderen Stelle passt diese Form aber sehr wohl und hat somit ihren Sinn im Gesamtgefüge.
Je mehr man sich nun auf solch einen Menschen, den man in seiner Vorstellungswelt ablehnt, einlässt, ihm Verständnis entgegenbringt, desto mehr „runden“ sich seine Kanten!