Wichtig für die Formentwicklung ist die Hypothese der „morphischen Resonanz“.
Wie die Saite eines Musikinstruments auf bestimmte Schallwellen anspricht oder ein Radioempfänger eines bestimmten Senders auf eine spezielle Frequenz abgestimmt ist, so treten morphische Felder mit strukturell ähnlichen Feldern in Resonanz. Diese Resonanz wirkt über Raum und Zeit hinweg, ohne Energieübertragung – eher im Sinne einer Musterübertragung dreidimensionaler Schwingungsmuster, denn morphische Einheiten sind ihrer Natur nach „dynamisch“.
Das Raumzeitmuster eines früheren Systems überlagert sich (da es in Resonanz ist) mit dem aktuell wirksamen formbildenden Muster.
Die Annahme hierbei ist, dass morphische Resonanz nur aus der Vergangenheit wirkt – es gibt also keine Rückwärtswirkung aus der Zukunft, keine Zielursache (etwa im Sinne der „causa finalis“ des Aristoteles).
Aus alledem ergib sich die folgende Ausgangshypothese für die Betrachtung und Deutung der morphischen Resonanz:
• Morphische Resonanz erfolgt nur durch vergangene morphische Einheiten und bleibt ungeachtet einer zeitlichen und räumlichen Distanz unvermindert wirksam.
• Formen vergangener Systeme werden zeitlich nachgeordneten Systemen automatisch präsent (sie aktualisieren diese).
• Für eine bestehende Form werden alle ähnlichen Formen der Vergangenheit präsent – die neue Form ist eine Mittelung dieser vorhergehenden Formen, eine „Durchschnittsform“
Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Kompositfotografie, bei der man z.B. 50 verschiedene Frontalaufnahmen der Gesichter verschiedenster Menschen übereinanderlegt und ein „Durchschnittsgesicht“ erhält Diese „Durchschnittsform“ ist unscharf durch abweichende Merkmale der Einzelformen (im Beispiel die individuelle Merkmale der Einzelgesichter) der Vergangenheit. Es ergibt sich auch hier wieder eine „Wahrscheinlichkeitsstruktur“
Die allgemein typischen Merkmale des menschlichen Gesichts treten bei diesen Fotos als scharf konturierte, kräftige Linien hervor. Individuelle Merkmale verschwinden in den Grauzonen, da sie zur Ausprägung einer Linie einfach nicht häufig genug vorhanden sind.
• Am ehesten wird die Form angenommen, die in der Vergangenheit bereits bevorzugt wurde, weil sie sich bewährt hat. Diese bevorzugte Form wird nun prägend wirksam für alle Folgeformen.
• Durch Formwiederholung gerät die Form in eine Spur, die mit steigender Anzahl an Wiederholungen immer tiefer in die Formlandschaft eingeprägt wird – hier haben wir wieder die Chreode.
Um auch hierfür ein anschauliches Beispiel zu verwenden:
Die Formlandschaft kann man sich vorstellen als eine Landschaft mit Bergen und Tälern, mit Höhen und Tiefen. Würde es nun über längere Zeit regnen, so sammelte sich das Regenwasser immer an den tiefsten Stellen. Durch seine Bewegung würde es nach und nach Flussläufe in die Landschaft einfurchen, deren Lauf nachkommendes Wasser vorzugsweise folgen würde. Das Flussbett oder der Flusslauf wäre in diesem Bild als die Chreode zu verstehen – der Weg der höchsten Wahrscheinlichkeit oder des geringsten Energieniveaus.